Erhaben ragt das Rothenburger Tor über die Dächer von Dinkelsbühl. Pechlöcher in der Tordurchfahrt und der Renaissancegiebel schmücken den gut erhaltenen Turm. Früher ein „Folterturm“ ist das Rothenburger Tor heute durch die engagierte Arbeit der Dinkelsbühler Reichsstädter „Freunde historischer Spiele“ e.V. nicht nur ein Ort voller Erinnerungen an frühere Zeiten, sondern auch voller Spiel und Spaß.
Eigentlich feierte Dinkelsbühl wie ganz Deutschland den 50. Geburtstag der Sendung mit der Maus. Zu diesem Anlass drehten die Freunde historischer Spiele einen Film, um eines ihrer Spiele – das „Glückshaus“ – vorzustellen. Diesem Beitrag entstieg die Idee der „Historischen Spielhölle“. Dank des Videos konnte auch die Stadt von diesem Konzept überzeugt werden.
Die entscheidenden Ideen zu diesem Projekt lieferte der im Jahr 2022 verstorbene Mitbegründer Harald Berlinger, der bereits zuvor mit seiner mobilen Spielhölle auf Mittelaltermärkten unterwegs war. Ende 2021 war es dann so weit: die Dinkelsbühler Reichsstädter „Freunde historischer Spiele“ wurde gegründet. Zu siebt hatte man gestartet. Mittlerweile besteht der gemeinnützige Verein aus zehn Mitgliedern, die sich aus Gästeführern und geschichtlich Interessierten zusammensetzen und sich für den Denkmalschutz in Dinkelsbühl, allem voran dem Erhalt des Rothenburger Torturms, einsetzen.


Von der Folterkammer zum Spielerlebnis
Im 14. Jahrhundert erbaut, diente der Rothenburger Torturm ursprünglich als Folter- und Gefängnisturm, in dem Beschuldigte während der Hexenprozesse in Dinkelsbühl befragt wurden. Über die Jahrhunderte hinweg wurde er immer wieder baulich verändert. So stammt beispielsweise das dreiseitige Turmvorhaus, die sogenannte Barbakane, aus dem 15. Jahrhundert, hat seine jetzige Form jedoch vermutlich erst im 17. Jahrhundert erhalten. Bis ins 19. Jahrhundert hinein diente das Tor noch als Stadtausfahrt nach Rothenburg, daher stammt auch die Bezeichnung als Rothenburger Tor.


Bei den Hexenprozessen im 17. Jahrhundert wurden Beschuldigte im Turm befragt.
Heute werden die Räume des Turmvorbaus anderweitig genutzt, nachdem sie von den Freunden historischer Spiele im Jahr 2021 mit Unterstützung durch die Stadt Dinkelsbühl und des dortigen Bauhofs renoviert und hergerichtet wurden. Nun öffnen sich die Tore des Rothenburger Tors regelmäßig, um Jung und Alt eine große Anzahl an historischen Spielen zugänglich zu machen.
„Die Idee war, einen festen Ort zu haben, an dem wir diese alten Spiele installieren und vorführen können“, sagt Vereinsmitglied Thomas Vaas. Die Auswahl reicht von Brett- und Würfelspielen wie Schach oder römische Mühle bis hin zu Aktivspielen wie einer Kegelbahn oder einem Shuffleboard. Das Angebot soll vor allem Kinder, Jugendliche und Familien ansprechen.


Von Brett- und Würfelspielen bis hin zu einer Kegelbahn gibt es viel zu entdecken im Rothenburger Tor in Dinkelsbühl.
Das Engagement eines Vereins
Der Verein setzt sich jedoch nicht nur dafür ein, die Erinnerung an die mittelalterlichen Spiele aufrechtzuerhalten. „Wir wollen den Turm wieder ins Leben holen und kümmern uns um den Erhalt des Rothenburger Tores“, erklärt Thomas Vaas. Dabei werden die Vereinsmitglieder auch vom historischen Verein Dinkelsbühl sowie dem Touristik-Service der Stadt unterstützt. Alles wird in den Turm investiert – nicht nur Finanzielles, sondern auch Leidenschaft, Begeisterung und Engagement aus vollem Herzen.
Auf historische Spiele allein beschränkt sich das Angebot des Vereins jedoch nicht. Führungen zur Geschichte des Rothenburger Turmes, Ferienprogramme und Geschichtenabende mit „Malla“, der professionellen Geschichtenerzählerin des Vereins, sind nur einige der Angebote. „Dabei ist ein seriöser Umgang mit der Geschichte des Tores erforderlich, der auch altersgerecht thematisiert wird“, sagt Vereinskollege Bernd Lindörfer.
Und auch sonst ist noch einiges in Aussicht. So beispielsweise eine Erlebnisführung, angeboten über den Touristik-Service. Ein Adventure-Turm-Programm für Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 13 Jahren. Oder verschiedene Projekte in Zusammenarbeit mit Schulen und Kindergärten. „Wir wollen Kindern und Jugendlichen auch Spaß ohne elektronische Geräte wie Handy oder Computer vermitteln“, erzählt Bernd Lindörfer.
Mit der Mittelschule in Dinkelsbühl arbeitete der Verein daher an einem Projekt, bei dem die Schülerinnen und Schüler mit Hilfe eines Laserdruckers auf Holz Spiele im „Bierdeckelformat“ herstellten. Mit Blick auf die zahlreichen spannenden Angebote steigt die Vorfreude, wenn sich die Türen des Rothenburger Tors öffnen und es heißt: Lasst die Spiele beginnen!
Info:
- An Marktsonntagen ist der Turm ab mittags kostenlos zugänglich.
- Führungen zur Turmgeschichte mit „Spielzeit“ nach Vereinbarung buchbar.
- Erlebnisführungen mit dem Touristik-Service DKB
Fotos: Stadt Dinkelsbühl, Dinkelsbühler Reichsstädter „Freunde historischer Spiele“ e.V.