Das Fränkische Volksfest in Crailsheim ist das Ereignis des Jahres und gleichzeitig das größte Heimatfest in der Region Hohenlohe-Franken. Rund 400.000 Besucherinnen und Besucher strömen an vier Tagen in die Stadt und feiern die „Fünfte Jahreszeit“. Doch wie hat das eigentlich alles begonnen?
Ein König der Landwirte – Gründung des Landwirtschaftlichen Bezirksvereins
Als 1815 der indonesische Vulkan Tambora ausbrach, hatte dies weitreichende Folgen für die Menschen in Europa. Die Vulkanasche verdunkelte jahrelang den Himmel und sorgte für Klimaveränderungen, die zu Missernten und Hungersnöten in Württemberg führten. Hinzu kamen die Kriegswirren der erst kürzlich beendeten napoleonischen Kriege. Wilhelm I. bestieg also zu einer denkbar ungünstigen Zeit den württembergischen Thron.
In weiser Voraussicht stärkte der König von Beginn seiner Amtszeit die Landwirtschaft und wurde von Zeitgenossen sogar als rex agricolarum (König der Bauern) betitelt. Er rief 1817 bereits zur Gründung eines Landwirtschaftlichen Vereins auf und schuf zur Förderung der Bauern 1818 das Landwirtschaftliche Institut in Hohenheim. Außerdem gab der Monarch den Anstoß, eine landwirtschaftliche Leistungsschau in Verbindung mit einem Fest abzuhalten. Noch im selben Jahr ging daraus das Cannstatter Volksfest hervor und diente als Vorbild für kommende Veranstaltungen im Königreich.
Ein königliches Doppelfest
Mitte des 19. Jahrhunderts feierten Land und Leute in Württemberg gleich zwei bedeutende Ereignisse. König Wilhelm I. beging 1841 seinen 60. Geburtstag und zugleich sein 25. Thronjubiläum. Zu Ehren des Monarchen veranstaltete das gesamte Königreich ein berauschendes Doppelfest. Verantwortlich für die Festivitäten war der im selben Jahr im Gasthof Lamm gegründete „Landwirtschaftliche Bezirksverein für das Oberamt Crailsheim“ in Zusammenarbeit mit weiteren städtischen Gremien. Das „vaterländische Doppelfest“, wie es im Intelligenz-Blatt vom 24. September 1841 heißt, wurde mit Glockenläuten und Böllerschüssen begonnen. Bereits früh am Morgen stimmten „Musik und Festgesang“ vom Stadtturm (heute Rathausturm) die Crailsheimer auf den Festtag ein.
Eine „Procession“, ähnlich dem modernen Umzug am Volksfest-Sonntag, führte die Festgemeinschaft zum Gottesdienst. Anschließend luden allerlei „jugendliche Volksbelustigungen“ auf den freien Platz „im Wasserstall“ (heutiger Volksfestplatz) ein. Das festliche Treiben beendeten die Crailsheimer unter „innigsten Segenswünschen“ an ihren König auf einem fröhlichen Ball im Gasthaus zum „Goldenen Ritter“.
Eine Tradition entsteht!
Aus dem königlichen Doppelfest entwickelte sich in den folgenden Jahren ein dreitägiges Vereinsfest des Landwirtschaftlichen Bezirksvereins. Nach dem Vorbild des Cannstatter Volksfests verbanden die Crailsheimer Vereinsvorsitzenden das Fest mit einer Leistungsschau aus Landwirtschaft, Handel und Gewerbe, die sich durch Ausstellungen, Prämierungen und Preisverleihungen auszeichnete. Schnell wurde aus dem Vereinsfest ein Ereignis für alle Bevölkerungsschichten der Stadt. Natürlich sollte es daher auch aus deren Mitte organisiert werden. Der Landwirtschaftliche Bezirksverein übergab zu Beginn des neuen Jahrhunderts die Verantwortung in die Hände der Stadtverwaltung, die seit 1901 unter neuem Namen das „Fränkische Volksfest“ veranstaltet.
Mutige Luftakrobatinnen
Zur „Volksbelustigung“ ließen sich die Veranstalter des Fränkischen Volksfests allerhand einfallen. 1898 gastierte der „dickste und schwerste Mann der Welt“ in Crailsheim. Der gute Kerl brachte ganze 472 Pfund (ca. 214 kg) auf die Waage und präsentierte sich als „Ballet-Dame“ und „graziöse Tänzerin“. Eindrucksvoll und bis heute in Erinnerung bleibend, ist der kühne Auftritt von Käthe Paulus. Die Luftakrobatin sorgte 1906 für den Auftritt des Jahres, als sie mit einem Gasballon ohne Korb und Gondel vom Festplatz in die Lüfte startete. Die mutige Luftschifferin saß auf einem Eisenring und winkte den Schaulustigen noch lange zu. Eine halbe Stunde später landete sie wohlbehalten in Musbach bei Feuchtwangen.
Ebenso waghalsig präsentierte sich 1927 und 1930 die Kunstluftschifferin Elvira Wilson aus Hamburg, die sich kopfunter an einem schwebenden Ballon hängend präsentierte. Immer umfangreicher und spektakulärer wurden die Attraktionen und Showeinlagen. Hunde- und Pferderennen waren ebenso beliebt wie die Film-Vorführungen der Kinematographen.
Engel-Bier gehört zum Volksfest!
Seit 1908 findet die Bierprobe am Freitag auf dem Fränkischen Volksfest im Festzelt der Brauerei-Familie Fach statt. Einst war das Feiern nur am 21. September, dem Matthäustag, möglich und fiel so manches Mal auf einen Wochentag. Da wollte keine so rechte Feierstimmung aufkommen, denn oft rief am nächsten Tag die Arbeit. Ganz anders ab dem Jahr 1887 als man das Fest auf das Wochenende von Samstag bis Montag legte und die Menge bereits ab 17 Uhr im Bierzelt schunkelte. Seit 1905 ist das Engel-Bier fester Bestandteil des Fränkischen Volksfests und musikalische Schwergewichte wie die Wildecker Herzbuben und andere bekannte Volksmusikanten treiben auch heute noch die wilde Menge auf die Bierbänke.
Seit 1969 beginnt das Volksfest traditionell mit dem „Politischen Donnerstag“ im Engelzelt. Der Ablauf ist dabei stets derselbe: Die Stadtkapelle heizt die Menge an und im Anschluss tritt ein Gast der CDU/CSU-Prominenz ans Mikrofon. Und das nicht immer mit Einverständnis der Menge wie der bayrische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß 1969 unter Pfiffen feststellen musste. Der schlagfertige Bayer konterte seinen Gegnern: „Sie haben Amerikaner in Crailsheim und wissen deshalb, dass Pfeifen eine Beifallsäußerung ist!“ Auch Urgesteine der Unionspartei, wie der ehemalige Generalsekretär Heiner Geißler (1986) oder der ehemalige Bundesvorsitzende Armin Laschet (2019), fanden bereits den Weg nach Crailsheim. In diesem Jahr ist Manuel Hagel zu Gast, der Landesvorsitzende der CDU in Baden-Württemberg.
Seit 2017 gibt es einen alternativen Volksfestauftakt von Bündnis90/Die Grünen auf dem kleinen Festplatz vor der Jahnhalle gegenüber dem Jugendzentrum (JuZe). Bruchsals Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick wird zu Gast sein. Neben ihr sprechen der bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner und Sebastian Karg, Vorsitzender der Crailsheimer Gemeinderatsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, auf dem kleinen Festplatz vor der Jahnhalle. Musikalische Unterhaltung gibt es von den Old City Boys aus Dinkelsbühl.
Abschied und Vorfreude
Für Gäste von „Außerhalb“ mag es eine kuriose Eigenheit sein, für alteingesessene Volksfestbesucher eine liebgewonnene Tradition: die mitternächtliche Beerdigung am Volksfest-Montag. Ein Brauch, der in den 1930er Jahren entflammte, in den 50ern in Vergessenheit geriet und schließlich 2009 wiedererwachte. Traditionell wird am letzten Tag das Volksfest in Form einer Puppe unter den Dielen der Ehrentribüne im Engelzelt „beerdigt“ und auch wenn das Volksfest zu Ende geht, so wird doch die Vorfreude auf das nächste Mal mit jedem neuen Tag umso größer.
Info: Alles rund ums Fränkische Volksfest findet ihr hier auf der neuen Website der Stadt Crailsheim.