Rathäuser sind besondere Orte und Ausdruck der Identität einer Stadt oder Kommune. Insbesondere der Crailsheimer Rathausturm kann auf eine spannende Geschichte zurückblicken. Steigen Sie mit uns die Stufen empor und erfahren Sie nicht nur einen atemberaubenden Ausblick auf die Horaffenstadt.

Das bauliche Wahrzeichen der Stadt Crailsheim blickt auf eine über 300-jährige Geschichte zurück. Zuvor war das Rathaus ein herrschaftliches Landhaus der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach mit der damals typischen vielseitigen Nutzung: Im Erdgeschoss befanden sich eine Markthalle, Fleischbänke, die Stadtwaage und Verkaufsläden. Im ersten Obergeschoss fanden im „Tanzhaus“, einem großen Versammlungssaal, unterschiedliche Zusammenkünfte statt.
Das zweite Obergeschoss diente als dreigeschossiger Kornspeicher. Hier waren die Verwaltungsräume untergebracht. In Crailsheim ist ab 1437 in der Stadtrechnung die Rede von einem „Thurners Thurn“ und einem „Peter der Turner“, der im Vorgängerbau des heutigen Rathausturmes über die Stadt wachte. Der Turm stellte jedoch im Laufe der Jahrhunderte ein zunehmendes Sicherheitsrisiko dar. Schließlich wurde er 1707 abgerissen. Erst 1719 konnte der Crailsheimer Turmbau abgeschlossen werden. Warum der Turmbau so lange andauerte, ist bis heute ungeklärt.
Wachturm und Museumsraum
Über Jahrhunderte hinweg war die Turmwacht die wichtigste Aufgabe des Stadtturms und einer der Hauptgründe, warum das Rathaus heute seinen Turm besitzt. Bis 1912 wurde die Hochwacht gehalten. Die Türmerwohnung gab die Stadt erst 1932 auf. Oft musizierte der Türmer zu festlichen Anlässen hoch über den Dächern. Zuletzt lebte die Familie des Stadtkapellen-Dirigenten Wilhelm Glück dort oben in luftiger Höhe. 1921 erhielt der „Heimat- und Altertumsverein“ ein Zimmer im Rathaus, um dort seine Sammlung historischer Objekte unterzubringen. Es handelte sich um ein hohes Zimmer im ersten Stock des Rathausturms, in dem das Stadtbauamt seine Büros hatte. Ab Juli 1922 war dieser Raum als Museumsraum öffentlich zugänglich.
Zerstörung und Wideraufbau

Beim Luftangriff am 23. Februar 1945 fiel eine der ersten Bomben in den Rathausturm: Die Turmspitze wurde abgerissen, das Turminnere völlig zerstört. Angesichts des enormen Zerstörungsgrades der Stadt musste der Wideraufbau warten. 1951 war es soweit, man begann mit dem Aufbau, der erst 1954 beendet werden sollte. Der Turm selbst wurde nicht erneuert. 1962 führte die Stadt eine Befragung während des Stadtfeiertags durch, was mit dem Torso passieren sollte. Die Mehrheit sprach sich für die Wiederherstellung des Turms aus. Spannende, aber doch kuriose Vorschläge blieben nicht aus. So schlug ein Bürger vor, man könne etwa ein Restaurant oder ein Schwimmbad auf dem Turm unterbringen.
Es sollte noch bis 1977 dauern, bis die gebürtige Crailsheimerin Bertha Dinkel die „Stadtturm-Stiftung“ ins Leben rief und durch mehrere Aktionen und Veranstaltungen mehr als 250.000 DM sammelte. Am 13. Oktober 1979 versammelten sich rund 10.000 Menschen vor dem Rathaus. In einer spektakulären Aktion hievten zwei riesige Spezialkräne den 16 Tonnen schweren Turmhelm auf den aufgemauerten Turmschaft. Zwischenzeitlich sorgte Oberbürgermeister Hellmut Zundel für Aufregung, indem er vorschlug, dass um 12 Uhr eine Kupferblech-Bürgermeisterin aus einem Fenster fahre, um ihren Rock zu heben (Horaffensage). Das Figurenspiel wurde nie realisiert. Die offizielle Einweihung des Turmes erfolgte nach Abschluss des Innenausbaus zum Stadtfeiertag am 10. Februar 1980.
Durch die „Wiederbekrönung“ des Turmes erhielt die Stadt nicht nur ihr bauliches Wahrzeichen zurück. Seither ist der Rathaussturm auch wieder das höchste Bauwerk in Crailsheim. Dieses Ereignis markiert gleichzeitig das Ende des Wiederaufbaus des Stadtkerns.
Rathaussanierung 2009
2009 sanierte die Stadt Crailsheim das Rathaus in großem Umfang. Nach einigen Diskussionen erhielt der Rathausturm sein heutiges Antlitz mit historischem Eichentor und Außentreppe zur Langen Straße hin zurück. Im Erdgeschoss wurde anlässlich des 60. Jahrestages des Kriegsendes eine Erinnerungsstätte eingerichtet. Mehrere Tafeln berichten von der Zerstörung der Stadt und sind zentraler Punkt von Stadtführungen, die auch auf den Turm hinaufführen.
Info: 200 Jahre Rathaus
Das Rathaus in Crailsheim feiert 2024 das 200-jährige Bestehen. Dieses Jubiläum wird am Montag, 15. Juli, mit einem Vortrag von Stadtarchivar Folker Förtsch gefeiert.
Ein unglaubliches Erlebnis für alle, die Crailsheim aus einer ganz neuen Perspektive erleben wollen und sich Schritt für Schritt in die Höhe wagen, bieten die Führungen des Stadtarchivs. Hier bietet sich eine tolle Möglichkeit den Spuren der Geschichte ganz nah zu kommen.
Termine unter: www.stadtarchiv-crailsheim.de