In dieser Ausgabe blickt die Themenreihe „Museen & Co.“ in ein düsteres Kapitel im Magischen Dreieck. Doch auch in dunklen Zeiten gibt es Lichtblicke, die Hoffnung wecken und Geschichte erlebbar machen. Lesen Sie von tapferen Widerstandskämpfern aus Crailsheim, traurigen Schicksalen im Ellwanger Steinbruch und einem modernen Umgang mit der Erinnerungskultur in Dinkelsbühl.
Digiwalk mit Audioguide: Gegen das Vergessen
Eine zeitgemäße und kreative Aufarbeitung der Erinnerungskultur fanden die Mitglieder der Grünen Jugend in Dinkelsbühl zusammen mit Dr. Gerhard Gronauer. Anlässlich des Gedenktages zur Reichsprogromnacht erforschten die jungen Erwachsenen mit dem örtlichen Pfarrer die jüdische Geschichte sowie die Ausbreitung des Nationalsozialismus in Dinkelsbühl. Die Ergebnisse der privaten Initiative sind als digitale Stadtführung mithilfe der App „Digiwalk“ oder online erlebbar (kostenlos über App Store und Google Play Store, Suchwort Dinkelsbühl). Die Führung ist als Audioguide angelegt und beinhaltet Tondokumente, historische Bildquellen aus dem Stadtarchiv Dinkelsbühl sowie eine Karte mit sechs Stationen. Startpunkt ist vor der Schranne. Dort berichtet der Audioguide von der Gründung der NSDAP-Ortsgruppe. Über mehrere Stationen erfahren die Teilnehmenden der Führung vom Schicksal der jüdischen Familien Levite, Ansbacher und Hamburger. Besonders wertvoll und beeindruckend sind dabei die originalen Tonaufnahmen von einem Gespräch mit Helene Hamburger, die als Kind aus Dinkelsbühl fliehen musste. Die letzte Station der Führung befindet sich vor dem Haus der Geschichte.
Digiwalk: www.digiwalk.de/walks/stolpersteine-in-dinkelsbuehl/de
Neues Mahnmal zum Gedenken an den Hessentaler Todesmarsch
Am Ende des Zweiten Weltkrieges sollten alle Häftlinge der Konzentrationslager und deren Außenlager wegen dem Vorstoß alliierter Truppen in Lager im Landesinneren verlegt werden. Auf diesen Evakuierungsmärschen, den sogenannten „Todesmärschen“, starben unzählige Menschen an Entkräftung oder durch die Misshandlungen des Wachpersonals. In der Nacht vom 6. auf den 7. April erreichte der Treck aus dem Lager Schwäbisch Hall-Hessental die Stadt Ellwangen. Ursprünglich sollten die Gefangenen per Bahn in das KZ Dachau verlegt werden, was ein alliierter Fliegerangriff auf den Zug vereitelte. Die Häftlinge mussten zu Fuß weitergehen und schließlich im Neunheimer Steinbruch bei Nässe und Kälte übernachten. Am 7. April 1945 fanden auf Ellwanger Gemarkung vermutlich mehr als 60 Menschen den Tod. Die Zahlen beruhen auf Augenzeugen. Die Leichname wurden an mehreren Orten entlang der Marschroute verscharrt, davon 27 in der Sandgrube bei Dalkingen und 23 im Neunheimer Steinbruch. Wenige Wochen nach der Kapitulation wurden die sterblichen Überreste exhumiert. Die Toten von Neunheim wurden am 15. Juni 1945 auf dem Wolfgangsfriedhof in Ellwangen beigesetzt. Jeder vierte Gefangene der rund 700 Insassen kam nie in Dachau an. Rund 170 Menschen erlagen den Strapazen des Marsches und der Gewalt der Aufseher. Das Schicksal vieler Teilnehmer des Hessentaler Todesmarsches ist bis heute ungeklärt. Im Steinbruch erinnert noch heute ein Mahnmal an die traurigen Ereignisse.
Ein neues Denkmal in Form einer sich verjüngenden Treppe ist bereits in Planung. Die Treppenplastik wird parallel zum Erdboden versenkt. Die erste Stufe liegt etwas über Bodenniveau und hebt den Besucher hervor. Die schmaler werdenden Stufen ziehen die Treppe optisch in die Länge. Der Weg verengt sich und immer höher ragen die Wände seitlich empor. Der Besucher wird zunehmend von der Außenwelt abgeschottet, bis er verschwindet.
„Es lebe die Freiheit“: Erinnerung an die Widerstandsgruppe Weiße Rose
Mit Flugblattaktionen und Wandparolen leistete in den Jahren 1942 und 1943 die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ in München Widerstand gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime. Hans Scholl wurde 1918 im heutigen Crailsheimer Stadtteil Ingersheim geboren, wo sein Vater von 1917 bis 1919 Bürgermeister war. Eugen Grimminger stammte aus einer Eisenbahnerfamilie. Er wurde 1892 in Crailsheim geboren, wo er bis 1922 lebte. Die Erinnerungskultur an den Widerstand im Nationalsozialismus gehört zu den wichtigsten Identifikationspunkten der Stadt. Im Stadtarchiv entsteht seit 2001 eine Sammlung zu den Geschwistern Scholl und Eugen Grimminger. Im Rathaus informiert eine Ausstellung im Treppenaufgang zum 1. OG über die Widerstandskämpfer und ihre Mitstreiter.
Wanderausstellung ist voller Erfolg
2010 präsentierten das Stadtarchiv und der „Weiße Rose-Arbeitskreis“ erstmals die Ausstellung „’Beweist durch die Tat, dass Ihr anders denkt!’ Der Widerstand der Weißen Rose“. Im Mittelpunkt steht eine inhaltliche Auseinandersetzung der Geschwister Scholl und ihrer Freunde mit den Grundprinzipien der NS-Herrschaft: Diktatur, Rassismus und Krieg. Zitate aus Reden von Adolf Hitler und SS-Führer Heinrich Himmler stehen gegen Passagen aus den Flugblättern der Weißen Rose. Die beiden widerstreitenden Weltbilder treten mithilfe zahlreicher, lokal bezogener Fotos und Originalzitate, dem Betrachter ungefiltert und ohne Interpretationshilfe entgegen.
Info: Die Ausstellung ist buchbar und hat bereits einige Stationen in Deutschland hinter sich.
Weiße Rose-Denkmal am Jagstbrückenhochhaus
Am Jagstbrückenhochhaus steht das wohl prominenteste Denkmal für die berühmten Söhne Crailsheims: Ein riesiger Kubus bestehend aus einem Wechselbild mit den Begriffen „Freiheit“, entnommen dem letzten Ausruf Hans Scholls vor seiner Hinrichtung „Es lebe die Freiheit“, „Wir schweigen nicht“ aus dem 4. Flugblatt der „Weißen Rose“ und dem Symbol einer weißen Rose. Das Wechselbild verändert sich je nach Standort. Eingerahmt ist es vom Text des Flugblatts Nr. 5 der „Weißen Rose“. Auf der Südseite leuchtet je nach Sonneneinstrahlung eine Schale, ergänzt durch Porträts und Kurzinformationen.
Scholl-Grimminger-Preis: Einsatz für Frieden, Freiheit und Demokratie
2022 vergab die Stadt Crailsheim erstmals den Scholl-Grimminger-Preis an die langjährige Vorsitzende des „Weiße Rose“-Arbeitskreises Ursula Mroßko und die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yildiz für ihr Engagement um Freiheit, Frieden, Demokratie und zwischenmenschlichen Respekt. Başay-Yildiz setzte sich für die Aufklärung rechtsextremistischer Gewalttaten im Zusammenhang mit der NSU-Mordserie ein. 2023 werden der frühere evangelische Dekan Peter Pfitzenmaier und die Klimaaktivistin Luisa Neubauer geehrt.
Ingersheimer Stationen
Im Crailsheimer Stadtteil Ingersheim befindet sich das Geburtshaus von Hans Scholl, versehen mit einer Informationstafel. In der Geschwister-Scholl-Schule ist das Scholl-Grimminger-Zimmer mit Möbeln der Familie eingerichtet und im Foyer erinnert ein großangelegtes Wandgemälde des Crailsheimer Künstlers Gerhard Frank an die Widerstandskämpfer.