A scheene Kinderzech 2025! Eine Stadt lebt Tradition

„Schallet heute Jubellieder, tönt von Süd, Nord, Ost und West! Freude spendend kehret wieder dieses frohe Jubelfest.“ Selten war die erste Strophe der „Dinkelsbühler Hymne“ passender als im Jahr 2022, in dem das Fest sein 125-jähriges Jubiläum feierte. Das Lied singen alle Anwesenden nach dem Spruch des kleinen Obristen zum Abschluss der Festzüge. Und die Dinkelsbühler singen in der Regel aus vollem Herzen mit. Ein Gänsehautmoment für die Bewohner der Stadt und die Besucher zugleich, jedes Jahr erneut.

„Die Kinderzeche ist eigentlich ein Schulfest, wie es in den Reichsstädten des deutschen Südwestens üblich war. Die erste urkundliche Erwähnung der Veranstaltung geht auf einen Schulausflug der Kinder zum Zechen vor die Tore der Stadt im Jahr 1629 zurück. Was wir heute als Festspiel feiern, ist die touristische Aufwertung davon“, erklärt Hans-Peter Mattausch, der ehemalige Vorstand der Kinderzeche. Wie so viele Dinkelsbühler fiebert er dem großen Jubiläum entgegen.   

Dinkelsbühl lebe hoch!  Foto: Ingrid Wenzel
Mehr als 125 Jahre lebendige Geschichte 

Während der Festtage ist die komplette Stadt auf den Beinen. „Mitte Juni ist zu spüren, dass die Leute unruhig werden. Dann mutieren die einen zu Schweden und die anderen zu Reichsstädtern“, erklärt Mattausch. Die Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen eins bis acht sowie rund 1.200 weitere Mitwirkende lassen jährlich das historische Heimatfest lebendig werden. Das Festspiel wird siebenmal aufgeführt und an den beiden Sonntagen sowie am Montag schließt sich ein Festzug an, bei dem historische Gruppen und die Schulklassen mitwirken.

Kinderzeche
Der „kleine Obrist“ ist die herausragende Gestalt des Festzugs.  Foto: Ingrid Wenzel

Am Dienstag erhalten alle teilnehmenden Kinder die begehrten Kinderzech-Gucken, eine mit Süßigkeiten gefüllte Tüte. Die Proben und Vorbereitungen für das Festspiel beginnen jedes Jahr um Ostern. Die Hauptfigur des Festspiels, die Kinderlore, wird jedes Jahr für zwei Jahre gewählt. Damit gibt es zwei Loren, die sich während des zehntägigen Heimatfests abwechseln. Pandemiebedingt durfte die Kinderlore des Jahres 2020 als erste Darstellerin überhaupt drei Jahre in Folge in ihre Rolle schlüpfen, da sie noch nie auf der Bühne stand.

Ob beim Zunftreigen, als Teil der Kinderschar oder später im Schwedenlager. Die Dinkelsbühler wachsen voller Leidenschaft in ihr Festspiel hinein und kommen nur schwer davon wieder los. „Das ist der Trick dabei“, verrät Mattausch mit einem Augenzwinkern. „Wenn man so ein Festspiel anfängt, dann muss man mit den Dreijährigen beginnen und das Fest zehn bis 15 Jahre durchführen. Irgendwann fehlt etwas. Das haben wir 2020 und 2021 gesehen. Es war ein riesiges Drama ohne Kinderzeche. Was sollte man jetzt Mitte Juli denn anfangen? Im ersten Corona-Jahr war uns daher wichtig, das geistige Gut der Kinderzeche zu bewahren, also haben wir 1.500 Kinderzech-Gucken in die Klassen geliefert. Das kam gut an und war vielen Menschen ganz besonders wichtig.“  

Die Kinderzeche bestimmt den Jahresablauf 

In Dinkelsbühl teilt sich das Jahr in vor und nach der Kinderzeche. „Bei Baumaßnahmen überlegt man, ob man das noch bis zur Kinderzeche schafft oder erst später anfängt. Auch bei Baumaßnahmen, die im Gemeinderat beschlossen werden“, erzählt der Stadtrat. „In Dinkelsbühl heißt es: Was wir bis zur Kinderzeche nicht geschafft haben, das schaffen wir dieses Jahr nicht mehr.“ Ein Satz drücke ganz besonders die Verbundenheit der Dinkelsbühler mit ihrer Kinderzeche aus: „Kinderzeche ist einmal im Jahr und Weihnachten eben jedes Jahr.“

Die Kinderzeche sei einmalig und jedes Jahr etwas ganz Besonderes, so Mattausch. „Gerade sind schon alle ganz kirre, da die ersten Anmeldungen laufen, wer wo mitspielen möchte“, sagte er im März. „Gott sei Dank haben wir viel Spaß dabei, die Not an Kostümen zu verwalten. Wir machen keine Kostüme nach. Es gibt eine feststehende Anzahl.“ Für die Erwachsenen gibt es circa 1.200 Kostüme und rund 700 für die Kinder. Das Knabenbataillon spielt dabei eine besondere Rolle und übernimmt die historische Verkörperung des Schulauszugs.  

Das Schwedenheer lagert vor den Toren der Altstadt.  Foto: Ingrid Wenzel
Stadt der Parität

Dinkelsbühl ist eine Stadt der Parität. Dies bedeutete die gleichberechtigte Teilhabe an innerstädtischen Entscheidungsprozessen für beide Konfessionen. Daher hat die Stadt vier Kirchen innerhalb des Stadtrings. In früherer Zeit gab es drei Bürgermeister, die unterschiedlicher Konfession sein mussten. Alle Einrichtungen, die nicht doppelt besetzt wurden, besetzte die Stadt im konfessionellen Wechsel. Auch die Dauer der Kinderzeche ist der Parität geschuldet. Fünf Tage feierten die Protestanten und fünf Tage die katholischen Bürger der Stadt.